Bad Gandersheim/Seesen. Nun ist es offiziell: Die Propstei Bad Gandersheim/Seesen ist einer von zwei „Erprobungsräumen“ der Landeskirche Braunschweig. Das hat die Landessynode bei ihrer Tagung im Rahmen des Zukunftsprozesses beschlossen. Hinter dem etwas sperrigen Begriff „Erprobungsräume“ steht ein völlig neuer Ansatz in der kirchlichen Arbeit: Künftig werden multiprofessionelle Teams die Pfarrerinnen und Pfarrer unterstützen. „Ich freue mich sehr, dass Bad Gandersheim-Seesen mit Helmstedt und Vorsfelde zusammen einer der beiden Erprobungsräume geworden ist“, betont Pröpstin Meike Bräuer-Ehgart.
In den 54 Gemeinden der Propstei sind schon jetzt viele Pfarrstellen unbesetzt; weitere Pfarrerinnen und Pfarrer werden in den kommenden Jahren in Rente gehen. Nachwuchs ist schwer bis kaum zu finden und die wenigen Bewerber möchten selten im ländlichen Raum leben und arbeiten. Daher sieht das neue Konzept vor, für zunächst zwei Jahre Teams aus Fachleuten einzubinden, die sich um die Aufgaben kümmern, die nicht in den theologischen Bereich fallen. Drei bis vier volle Stellen kann die Propstei dabei neu besetzten. Eine Stelle ist im Bereich Geschäftsführung angesiedelt; dazu kann z.B. der Bereich Gemeindeverwaltung gehören, aber auch Fundraising oder Projekt- und Veranstaltungsmanagement. „Es hängt immer davon ab, wer sich auf die Stellen bewirbt und welche Kompetenzen der Bewerber oder die Bewerberin mitbringen. Die Bedürfnisse sind auch je nach Gemeinde und Amt verschieden. Das werden wir flexibel handhaben“, so Bräuer-Ehgart.
Die zweite Stelle deckt den Bereich Bau/Finanzen ab, eine dritte und möglicherweise auch vierte Stelle ist im Bereich Diakonie/Soziales verortet. Die Bewerberinnen und Bewerber erwartet hier ein Pfarramts-ähnliches Aufgabengebiet. „Dieser Bereich ist für Diakoninnen und Diakone sehr interessant, die sich gern umorientieren wollen und sich breiter aufstellen wollen, also z.B. auch Gottesdienste und Andachten übernehmen möchten“, erklärt die Pröpstin. Die Stellen sind – wie das gesamte Projekt – zunächst auf zwei Jahre befristet und in ihrer Vergütung an die Besoldung von Pfarrerinnen und Pfarrern angelehnt. Dabei ist die Chance auf eine Entfristung durchaus realistisch; denn das Projekt Erprobungsräume soll, wenn das Konzept aufgeht, auf die gesamte Landeskirche ausgedehnt werden. Offiziell ausgeschrieben werden die neuen Jobs in der zweiten Jahreshälfte 2022.
„Wir erhoffen uns eine Ergänzung und Entlastung der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie eine Professionalisierung bestimmter Bereiche“, erläutert Pröpstin Bräuer-Ehgart. „Wir sind beispielsweise keine Bauherren, keine Verwaltungskaufleute und keine Ingenieure, müssen diese Bereiche aber irgendwie mit abdecken. Dafür sind wir nicht ausgebildet, da heißt es learning by doing. Hier wünschen wir uns eine Übernahme dieser Arbeitsbereiche durch Profis, sodass wir uns unseren Kernkompetenzen widmen können.“ Attraktiv seien die Stellen beispielsweise für Pendler, die gern vor Ort arbeiten wollen, aber natürlich auch für andere Fachkräfte.
Pröpstin Bräuer-Ehgart setzt große Hoffnungen in die Erprobungsräume: „Das Ganze ist Teil eines gewaltigen und dringend nötigen Reformprozesses der Kirche – und der Kirche auf dem Land im Speziellen – um uns zukunftsfähig und das Pfarramt wieder attraktiv zu machen! Wir müssen den Pfarrberuf dringend neu gestalten. So lockt man keinen hinter dem Ofen vor“, betont die Pröpstin. Es seien immer mehr Gemeinden zu betreuen, immer mehr Kirchtürme zu bespielen, dazu sehr viele fachfremde Aufgabenbereiche, eine veraltete Residenzpflicht und ein ungeheuer breites Aufgabenfeld.
„Wir hoffen, dass wir nach der Erprobungsphase den Ansatz von multiprofessionellen Teams auf die gesamte Landeskirche Braunschweig übertragen können und so eine Umverteilung von Arbeit und Zuständigkeiten erreichen, die uns in die Zukunft führt“, erklärt Bräuer-Ehgart. „Wir müssen den Pfarrberuf entschlacken, um ihn wieder attraktiv zu machen. Und das ist ein wichtiger und mutiger Schritt in die richtige Richtung.“ Der Optimismus scheint berechtig: „Wir haben schon erste Interessentinnen und Interessenten für den Sozial-Diakonischen Bereich und ich bin optimistisch, dass wir auch für die anderen Stellen gute Bewerberinnen und Bewerber gewinnen können“, so die Pröpstin.

